Wenn ich Elternhäuser fotografiere ist mir besonders wichtig, die Angewohnheiten und Hobbys der Verstorbenen und auch die Kindheitserinnerungen der Töchter und Söhne zu erfahren. Nicht nur die Verstorbenen haben lange in dem Haus gewohnt. Auch ihre Kinder sind darin aufgewachsen und geprägt worden. Selbst nach dem Auszug der Kinder war das Elternhaus oft noch Treffpunkt für die ganze Familie.

Die Hausbegehung

Diese Kenntnisse bekomme ich während der gemeinsamen Hausbegehung mit den Hinterbliebenen vor dem eigentlichen Fotografieren. In meinen Angebotspaketen sind immer Hausbegehungen enthalten, um anschließend wirklich nur das fotografieren zu können, an dem tatsächliche Erinnerungen hängen. Aus diesem Grund ist das Zuhören, was die Angehörigen über die Eltern und sich selbst erzählen, für gute und emotional wertvolle Fotos so enorm wichtig.

Orte und Gegenstände

Anschließend geht es darum, im Haus die Orte oder Gegenstände zu fotografieren, die für die Angehörigen zur Erinnerung oder Trauer an die Verstorbenen wichtig sind. Häufig sind es Orte im Haus, an denen sich die Familienmitglieder getroffen haben, wie etwa das Esszimmer oder das Wohnzimmer. Aber auch bestimmte Gegenstände können Erinnerungen bewahren wie etwa die Werkbank des Vaters, an dem er nach der Arbeit und am Wochenende so leidenschaftlich gern gewerkelt hat oder der schöne Blumengarten, den die Mutter stets gehegt und gepflegt hat.

Aber Kinder verbinden mit bestimmten Orten im Haus oder Gegenständen auch Erinnerungen an ihre eigene Kindheit. Der Sandkasten im Garten, der zwar inzwischen zugewuchert ist, aber immer noch voller Erinnerungen steckt. Oder der Blick aus ihrem Kinderzimmer in den Garten oder auf die Straße, obwohl das Kinderzimmer längst einem Gästezimmer gewichen ist.

Motive sind sehr individuell

Es gibt viele Motive im Haus, die emotional aufgeladen sind und sich von Auftrag zu Auftrag wiederholen. Allerdings wäre es falsch sich auf diese Motive zu verlassen. Sie können natürlich eine Orientierung bieten. Aber letzten Endes entscheiden nur die Erzählungen der Angehörigen darüber, welche Motive ich fotografiere. Und da Erfahrungen sehr unterschiedlich sein können ist es absolut wichtig, neue Motive im Haus zu entdecken. 

Nun darf man sich aber nicht vorstellen das Angehörige zu mir sagen, ich solle konkret dies oder jenes fotografieren. Als Fotograf muss ich in der Lage sein, zu den Erzählungen konkrete Motive zu finden. Wenn ich also erfahren habe, dass der Vater gerne auf Reisen war, muss ich Motive finden, die genau dieses Hobby wiederspiegeln. Dies können verschiedene Motive sein wie etwa die Wand im Arbeitszimmer, an der gerahmte Erinnerungsfotos von den Urlaubszielen hängen. Es kann aber auch die Kleidung sein die er dabei immer trug und inzwischen verschlissen ist, bestehend aus Wanderschuhen, Rucksack und Windjacke. 

Die Bildgestaltung

Welches dieser verschiedenen Motive ich dann auswähle hängt auch davon ab, was ich als Motiv vorfinde. Damit die Motive später auf den Fotos gut wirken und die Emotionalität transportieren, ist die Bildgestaltung schon beim Fotografieren enorm wichtig. Ein emotional wichtiger Gegenstand kann auf einem Foto langweilig wirken. Häufig erlebt man dieses Phänomen auch auf Urlaubsfotos: Man ist gerade an einem besonderen Ort und erlebt eine besondere Atmosphäre. Diese versucht man dann zu fotografieren. Die Ernüchterung über das Bild stellt sich dann im Anschluss an den Urlaub ein: Von der ursprünglichen Stimmung ist nichts mehr zu sehen, das Bild wirkt flach und langweilig. Das liegt vor allem an der fehlenden Bildgestaltung während des Fotografierens. Ein Foto ist nur zweidimensional, die Realität dreidimensional. Dazu braucht es Übung und Erfahrung.

Fazit

Elternhausfotografie ist weit mehr als sich nur auf Motivsuche in einem fremden Elternhaus zu begeben. Es gehören in besonderem Maße Empathie und Vertrauen dazu, damit sich Angehörige in dieser schweren Zeit mir gegenüber öffnen können. Während des Fotografierens müssen Tabus eingehalten und Motive gestaltet werden. Wenn die Fotografien am Ende aber genau die Erinnerungen an die verstorbenen Eltern und eigene Kindheit wiederspiegeln, halten Angehörige emotional wertvolle Bilder in Händen, die Generationen überdauern können.